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Erfahrungsbericht Heim-Hämodialyse

Bericht von Thomas und Beate Lehn vom Seminar "Dialysearten", welches der Verein Junge Nierenkranke Deutschland e.V. im März 2003 veranstaltete:

"Wir wurden von Monika Centmayer, der 1. Vorsitzenden des Vereins Junge Nierenkranke Deutschland e.V. gefragt, ob wir, meine Frau und ich, einen Vortrag zum Thema Heim-Hämodialyse beim Seminar "Dialysearten" vortragen könnten.

Vorüberlegungen

Im Vorfeld überlegten Beate und ich, wie wir unseren Vortrag gestalten könnten. In Frage käme, jeder von uns hält einen Vortrag aus seiner Sicht, das heißt ich erzähle von mir und der Heim-Hämodialyse und meine Frau Beate aus der Sicht des Partners. Oder wir halten ein Zwiegespräch und geben so unsere Erfahrungen mit der Heim-Hämodialyse weiter. Wir entschieden uns für ein unterhaltsames Zwiegespräch mit Einbeziehung der Seminarteilnehmer und einer PC-Powerpoint-Präsentation im Hintergrund.

Das Seminar, die jährliche Mitgliederversammlung und gemeinsame Freizeitgestaltung fand vom 20.bis 23. März 2003 im Parkhotel in Biedenkopf bei Marburg statt. Am 22. morgens ab 9.00 Uhr erwartete uns Monika Centmayer für unseren Vortrag. Wir waren die ersten Redner an diesem Samstag. Zwischen 40 und 50 Teilnehmer nahmen an diesem Seminar teil und erwarteten einen interessanten Vortrag über die Heim-Hämodialyse, über die Voraussetzungen, Vor- und Nachteile der Behandlung, über die Partnerschaft und Partner- und Dialyseabhängigkeit. Wir stellten uns kurz vor und ich machte deutlich, wie viele Stunden ich schon in meinen 33 Jahren Dialyseleben an der Maschine verbracht habe. Bei etwa 5600 Dialysen sind das rund 28000 Stunden.

Warum Heim-Hämodialyse?

Beate meinte, wir wären über drei Jahre in unserem gemeinsamen Leben nicht zusammen gewesen, wenn wir keine Heim-Hämodialyse machen würden. Vor dieser Zeit fuhr ich dreimal die Woche über 100 km hin nach Heidelberg zur Dialyse. Beate erwähnte, dass wir uns kaum gesehen hätten und da stand für uns fest, erste Informationen und geeignete Ansprechpartner für die Heim-Hämodialyse zu suchen. Wir fanden im KfH Mainz unter der Leitung von Frau Dr. Köhler ein gut geschultes Team, das schon seit 1979 Erfahrung in der Ausbildung und Betreuung von Heim-Hämodialysepatienten gesammelt hatte. Die Ärzte im Mainzer KfH meinten, wir würden die Voraussetzung, um die Dialyse zu Hause durchzuführen, erfüllen.

Vorteile

Auf die Frage, welche Vor- und Nachteile eine Heim-Hämodialyse mit sich bringt, antwortete ich wie folgt:

  • Mehr Freizeit, da ich die Dialysezeit von dreimal fünf Stunden in der Regel selbst bestimmen kann.
  • Unabhängigkeit von Zentrumszeiten.
  • Weitere Berufstätigkeit, da ich abends oder nachts dialysiere.
  • Vertraute Umgebung, es ist keine Krankenhausatmosphäre.
  • Eigenverantwortlichkeit, somit mehr Sicherheit.
  • Weniger Shuntprobleme, da immer der gleiche Partner punktiert (oder auch der Patient punktiert).
  • Mehr Lebensqualität.
  • Es gehen kaum private Termine verloren, da ich die Dialysezeiten legen kann, wann ich will (mehr Freizeit).
  • Wenn man mal über die Stränge schlägt (Essen oder Trinken), kann man eine Dialyse zusätzlich durchführen.
  • Keine Fahrtkosten.
  • Höhere Lebenserwartung, da auch weniger Komplikationen zu erwarten sind.
  • Die Heim-Hämodialyse ist günstiger als die Klinikdialyse!

An wen kann man sich wenden?

Nicht nur das Kuratorium für Dialyse und Transplantation (KfH) oder die Patientenheimversorgung (PHV), sondern auch viele niedergelassene Nephrologen sind in der Lage, Patienten für die Heimdialyse individuell zu schulen. In den Dialyserichtlinien steht sogar, dass von jedem niedergelassenen Nephrologen die Heimdialyse angeboten oder alternativ mit einer anderen Einrichtung oder Praxis kooperiert werden muss, die das Heimdialyseverfahren anbietet.

Nachteile

  • Man lernt weniger Mitpatienten kennen und verliert den Kontakt zu anderen Betroffenen.
  • Man sieht einen Arzt meistens nur alle sechs bis acht Wochen.
  • Der Hausmüll wird mehr, entsprechend hat man höhere Abfallentsorgungskosten.
  • Hoher Strom- und Wasserverbrauch.
  • Man ist immer mit der Maschine konfrontiert, da sie ja zu Hause steht.
  • Abhängigkeitsgefühl vom Partner kann aufkommen und die Beziehung belasten.

Voraussetzungen

Ich erläutere den Zuhörern die Voraussetzungen, die man mitbringen muss, um Heim-Hämodialyse machen zu können:

  • Der Betroffene muß gesundheitlich und psychisch stabil sein und es dürfen während der Dialyse keine Komplikationen zu erwarten sein.
  • Ein gut funktionierender Shunt.
  • Ein Partner (das kann der Ehe- oder Lebenspartner sein, Elternteil, etc.), der beim An- und Abschluss hilft und bei Problemen zur Seite steht (die Ausbildung dauert etwa drei Monate).
  • Ein separater Raum ist besser als das Schlafzimmer, um die Dialyse durchzuführen.
  • Lagermöglichkeit für das Dialysematerial.
  • Arzt und Techniker sollten während der Dialysezeit telefonisch erreichbar sein.

Nachdem wir uns entschlossen hatten, Heim-Hämodialyse zu machen, wurden wir durch eine geschulte Schwester ausgebildet. Beate hatte durch ihren Beruf als Krankenschwester schon etwas Ahnung und so durften wir nach zwei Wochen Training das erste Mal zu Hause und unter Aufsicht unserer Schulschwester und eines Arztes dialysieren. Normalerweise dauert eine Schulung drei Monate und der Partner wird für dieses Training vom Arbeitgeber freigestellt. Der für die Trainingszeit verlorene oder nicht gezahlte Lohn wird dann von der Krankenkasse des Patienten erstattet.

Abhängigkeit

Wir wurden gefragt, wie wir mit der Abhängigkeit umgehen. Oder wiesehr belastet die Heimdialyse die Partnerschaft? Schadet oder stärkt sie die Bindung zueinander? Das sind Fragen, mit denen wir uns schon auseinandergesetzt haben.

Die Definition von Abhängigkeit ist, wenn ein Mensch psychisch (mit dem Geist) oder physisch (mit seinem Körper) von einem Menschen, einer Sache oder einem Zustand abhängig ist. Natürlich wurden wir schon auf die Probe gestellt und mir wurde dann klar, dass ich ein Gefühl der Abhängigkeit gegenüber Beate hatte. Aber andererseits beruht die Abhängigkeit auch auf Gegenseitigkeit, das ist wohl die Abhängigkeit in der Liebe. Wenn es mir schlecht geht, denke ich schon mal an die Abhängigkeit von der Dialysemaschine, aber wichtig ist es, wenn man davon abgelenkt wird.

Daraufhin antwortete Beate: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Mann durch die Heim-Hämodalyse nicht so anfällig für medizinische, soziale und emotionale Krisen ist. Das kommt einmal davon, dass seine Lebensqualität besser ist, dass er besser rehabilitiert ist, dass er arbeiten gehen kann und vor allem seinen Freizeitaktivitäten besser nachgehen kann, als wenn er zur Dialyse ins KfH müsste. Die Rollenverteilung innerhalb unserer Ehe hat sich nie geändert, und wir haben dadurch auch selten Eheprobleme.

Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügung:
Beate und Thomas Lehn
E-Mail: Beate@Thomas-Lehn.de
Homepage: http://www.thomas-lehn.de

In unserem Bekanntenkreis gibt es einige Heim-Hämodialyse-Paare, die schon sehr lange dialysieren. Wir kennen auch Paare, deren Ehe durch die Heim-Hämodialyse zerbrochen ist. Aber ich bin sicher, dass die Ehe auch ohne Heimdialyse auseinandergegangen wäre. Beate fügte hinzu: Ich kann nur für mich, oder für uns die Antwort geben, dass unsere Bindung durch die Behinderung, durch die Heimdialyse viel intensiver geworden ist und ich bin glücklich, dass Thomas mit meiner Hilfe ein fast normales Leben führen kann.

Nebenkosten

Die Nebenkosten sind durch die Heim-Hämodialyse gestiegen. Pro Dialyse benötigt die Osmose 1.000 Liter Wasser und jede Menge Strom. Außerdem steigen die Müllkosten. Wir trennen Papier, Plastik und sonstigen Dialysemüll. Leere Kanister werden vom KfH abgeholt. Das KfH zahlt uns eine Unkostenpauschale beziehungsweise eine Aufwandsentschädigung von 115 Euro, die aber leider die Kosten nicht ganz deckt. Bei anderen Heimdialysebetreuern, zum Beispiel bei der Patientenheimversorgung, werden die Unkosten pro Dialyse erstattet. Außerdem setze ich die Unkosten bei der Einkommensteuererklärung ab.

Wir dialysieren dreimal die Woche fünf bis sechs Stunden in der Regel Sonntagmorgen, Mittwoch- und Freitagabend. Manchmal auch an anderen Tagen. Die Wochendialysezeit von mindestens 15 Stunden halte ich strikt ein, wobei wir möglichst wenig unserer Freizeit dafür opfern wollen. Aber immer vor Augen: Dialysezeit = Lebenszeit.

In unserem Vortrag folgten nun Folien oder unsere Arbeitsteilung vor, während und nach der Behandlung. Ich werde von Beate punktiert, angehängt, abgehängt und sie entfernt die Punktionsnadeln. Den Rest mache ich.

Wenn Beate als Dialysepartner ausfällt?

Beate erklärte, wenn sie mal auf einer Dienstreise oder einem Seminar ist, oder sie könne ja auch mal krank sein, dann würde mir freistehen, ob eine Schwester zu mir nach Hause käme oder ich im KfH dialysieren könnte. Aber sicher ist: für den Notfall steht ein Dialyseplatz im KfH für mich bereit.

Anschaulich belegten wir auf Folien mein Dialyseequipment. Alle medizinischen Artikel wie Konzentrate, Bibag, Spritzen, Desinfektionsmittel, Fragmin oder Heparin, sterile Handschuhe, Unterlagen und Punktionsnadeln bekommen wir viermal im Jahr vom KfH Lager Rodgau geliefert. Dafür haben wir einen kleinen Lagerraum im Keller vorgesehen. Die Dialysemaschine wird einmal im Jahr von einem Techniker gewartet, das heißt: alle Verschleißteile werden erneuert, eventuell neue Software installiert, Schläuche ausgewechselt und die Einstellungen werden überprüft. Das ist eine umfangreiche Wartung und wir haben letztes Jahr fast keine nennenswerte Störung an der Maschine gehabt.

Bei medizinischen Problemen können wir uns jederzeit an die Ärzte und die Ausbildungsschwester wenden. Alle sechs Wochen habe ich einen Ambulanztermin im KfH Mainz. Beate meinte: Die Dialyse dreimal pro Woche ist in unser Leben integriert und gehört einfach zu uns. Meine Erfahrungen mit der Dialyse zu Hause sind wirklich sehr positiv und ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal ernsthafte Probleme hatten. In den 20 Jahren hatten wir mal ein Wasserproblem, als es in der Nachbarschaft gebrannt hatte und die Feuerwehr das ganze Wasser benutzte und unser Wasserdruck so niedrig war, dass wir abhängen mussten.

Die Zeit an der Dialyse

Gesundheitlich geht es mir während der Behandlung gut. Wir hängen meistens abends nach 19.30 Uhr an. Anschließend essen wir Abendbrot und schauen Fernsehen, ich surfe im Internet, schlafe oder lese. In letzter Zeit lernen wir eine Stunde Spanisch. Beate ist immer anwesend im Haus.

Zehn Minuten bevor ich mit der Dialyse fertig bin, das ist manchmal nach Mitternacht, wecke ich Beate, die eine Etage höher schläft. Sie hängt mich ab und leitet die Desinfektion der Maschine ein. Natürlich zieht sie mir auch die Nadeln. Ich drücke 30 bis 40 Minuten, so lange desinfiziert die Maschine, dann gehe ich auch ins Bett, wo Beate schon wieder eingeschlafen ist.

Wir machten den Zuhörern deutlich, dass wir die Dialyse in unser Leben integriert haben, dass sich unser Leben kaum von dem eines anderen Ehepaars unterscheidet und dass wir ein eingespieltes Team sind und keinerlei Ängste während der Dialyse bestehen. Wir gehen arbeiten, fahren in den Urlaub, haben Freunde, gehen aus, also alles, was andere auch machen. Wir verbringen mehr Zeit gemeinsam, weil wir zu Hause dialysieren.
Beate hob besonders hervor: "Sie sehen, die Zeit an der Thomas an der Dialyse verbringt, ist für uns keine verlorene Zeit. Die Dialyse ist für uns kein großes Handikap. Sicher gibt es auch mal für ihn schlimme Zeiten (wenn der Shunt zu ist und er operiert werden muss). Die Komplikationen und Folgen, die bei der Dialysebehandlung auftreten sind einigermaßen kalkulierbar, bei einer Transplantation leider nicht mehr. Das ist sicher ein Grund, warum er noch nicht transplantiert werden wollte." Ich fügte dann noch hinzu: "Die Heim-Hämodialyse ist statistisch gesehen die beste Dialyseform, bei der der Betroffene am besten rehabilitiert. Trotzdem sind es nur zwei Prozent der Hämodialysepatienten, die sich für Heimdialyse entscheiden."

Fazit

Ich kann nur jedem Betroffenen raten, wenn es ihm gesundheitlich soweit gut geht, er eine intakte Partnerschaft hat und den Wunsch nach mehr Ungebundenheit verspürt, mit dem Arzt zu sprechen. Er wird Ihnen mit Sicherheit sagen können, ob Sie für die Heim-Hämodialyse in Frage kommen.

Für mich persönlich gilt der Grundsatz "Dialyse ist gut, Transplantation ist besser" nicht. Die Hämo-Heimdialyse ist ein Teil unseres Lebens, sie hat sich in unserem Leben etabliert. Und das vielleicht lebenslänglich!"

Thomas und Beate Lehn

(aus der Zeitschrift "der dialysepatient" 3/2003, heute: "Der Nierenpatient")


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